TOTC, Cocktailgeschichten, LE BON LION und eine Nominierung, die wir nicht verdient haben.
Cocktailgeschichten oder so ähnlich, könnte man als Deutschsprachiger mit mässigen Englisch Kenntnissen die „Tales of the Cocktail“ übersetzen. Ein Event, der heute startet und jeden nicht in New Orleans ansässigen Bartender und Cocktailfreund, mich eingeschlossen, gerade vor Neid in den Wahnsinn treibt. Schuld daran ist dieses verdammte Web 2.0. Facebook und Twitter sollte man für geschätzte zwei Wochen nicht mehr benutzen, um nicht ständig daran erinnert zu werden, das man zu den daheimgebliebenen gehört.
Doch der Reihe nach. 2003 startete Ann Tuennerman die Tales of the Cocktail und hat in nur sechs Jahren etwas unglaubliches auf die Beine gestellt. Von einer kleinen Ansammlung von Cocktailfreunden, die sich im Jahre 2003 in New Orleans trafen, um über Drinks und deren Geschichten zu reden, hat Sie in nur 6 Jahren einen unglaublich weiten Weg zurück gelegt, der höchste Anerkennung verdient hat.
Eine fast unüberschaubare Anzahl von Seminaren mit einer Vielzahl von „Top of the Tops“ Speakern, 5 Tage lang, mit erwarteten 20.000 interessierten Gästen. Wow.
Sie hat etwas geschafft, was einzigartig auf der Welt ist und wir alle sollten Ihr dankbar dafür sein. Sie hat das Trinken aus der Ecke geholt. Sie hat es geschaft, eine Mischung aus Bartendern, Cocktailgeeks und Genußmenschen mit den Medien zu vereinen. Frau Tuennerman hat etwas vollbracht, was hierzulande noch zu 99 % fehlt. Sie hat das genussvolle Trinken Gesellschaftsfähig gemacht! Viel wichtiger noch, und das macht Sie verdammt sympatisch: Sie hat schon vor Jahren erkannt: Wenn du in einer Nische groß werden willst, ist die Beste Möglichkeit die, Dich mit dem zielgerichtesten aller Medien zu vereinen: Bloggern.
Das war groß, weitsichtig und macht die Tales heute international zum wichtigsten Event der Bar Branche. So ziemlich alles, was in dieser „westlichen“ Spirituosen Welt über Alkohol und Cocktails online schreibt, ist heute auf dem Weg nach New Orleans und WEB 2.0 sei Dank, erzeugen diese Online Pioniere in „unserer“ kleinen Welt einen enormen Sog.
Und, obwohl es mittlerweile ein enorm Industrie/Sponsor lastiger Event geworden zu sein scheint, tut das dem Ganzen derzeit keinen Abbruch. Normalerweise haben Blogger ja in der Summe eine gewisse Abneigung gegen zu kommerzielles - in diesen Fall scheint die Mischung zu stimmen. Erneut, ein dünner Grad den Frau Tuennerman erfolgt zu meistern scheint: Respekt!
Interessanter Weise gibt es Tales erst seit gut einem Jahr in „unserer“ Zeitrechnung. Im vergangen Jahr hat eine kleine deutsche Entourage wie z.B. Helmut Adam oder Hauck & Berg vom Ort des Geschehens berichtet. Viel wichtiger aber ist denke ich der Einfluss ausländischer Blogger auf die „deutsche“ Szene. Denn dieses Jahr, so ist dem einem oder anderem zu entnehmen, zieht es Ihn auch aus unseren Landen nach New Orleans.
Nun wird Sie also über uns hereinbrechen, die TOTC Berichterstattung, auf sämtlichen Kanälen. Und bevor Sie nun depressive zum Strick greifen, hier einige Gedanken zu überleben der nächsten Woche.
Fakt: bei Tales of the Cocktail kommen ziemlich viele bekannte Menschen aus der Branche zusammen und treffen sich um gemeinsam die TOTC zu bestreiten. Sie werden eine fantastische Gelegenheit verpassen, um mit einigen dieser Menschen einen Drink zu genießen oder ein bisschen Small Talk zu halten. Es wird keine Facebook Fotos geben die Sie mit solchen „Größen der Branche“ zusammen zeigen und Ihren Ego schmeicheln oder besser noch, hoffentlich Ihre Kollegen vor Neid platzen lassen. Denn seien wir ehrlich, das gefällt uns doch...
Finden Sie sich damit ab. Point taken! Andererseits habe ich eine Überlebensstrategie entwickelt um bei großen Veranstaltungen, an denen ich nicht teilnehmen kann, nicht den ganzen Tag übellaunig voller Neid durch die Welt zu laufen. Frei nach der Devise: Gut ist es - wo ich bin. Es ist ganz einfach, ich betrachte das Verpasste realistisch.
Seien wir ehrlich. Wer schon einmal solchen internationalen Großveranstaltungen, sei es nun Barshow oder TOTC beigewohnt hat, kennt das Phänomen und es es so alt, wie die Menschheit selbst. Ich habe sogar eine Bar nach diesem Phänomen benannt: LE BON LION, the good lion, der gute Löwe.
Ernest Hemmingway hat diese fantastische Kurzgeschichte geschrieben und sie erzählt in aller Kürze die Geschichte eines aus sehr gutem Hause kommenden, jungen venizianischen Löwens, der in die weite Welt, vielmehr zu den echten Löwen nach Afrika fliegt und diese kennen lernen will. Er hat die besten Traditionen, trinkt Negronis und Martinis und kennt sich aus mit gutem Essen. Bei den Löwen hingegen scheitert er total - will kein Blut trinken und keine indischen Händler essen (Wir wollten darauf hin immer Sandwich „Indischer Händler“ im guten Löwen anbieten, schien uns aber in diesen verlogenen Zeiten als unangebracht...). Kurz gesagt. Der Löwe kam in Afrika nicht klar, scheiterte, die „echten“ Löwen wollen Ihn gar fressen. Also flog er zurück nach Venedig, in Harrys Bar, und trank Negronis und Martinis. An der Bar erzählte er selbstverständlich von seinen nicht ganz ungefährlichen Abenteuern in Afrika, die wenig mit der Realität zu tun hatten und erntete vollsten Respekt und Anerkennung von den Daheim gebliebenen. (und er bestellte bei Cipriani ein Sandwich Indischer Händler und dieser Weltklasse Bartender verneinte nicht gleich, sondern wollte schauen, wo er das besorgen kann).
Kurz: Wir neigen dazu, erlebtes in der Heimat ein wenig „schön“ zu reden... warum auch nicht - mach ich auch permanent.
Wer also nun schon einmal auf einem solchen Internationalen Event war, kennt das. Die Zeit FLIEGT an einem vorbei und man kommt nur sehr selten dazu, sich mit irgend jemanden richtig gut zu unterhalten. Es gibt „zweitausend“ Anlässe, die es zu besuchen gibt und am Ende des Tage bleibt man in irgend einer Bar sitzen und trinkt mit einem Teil all seiner Bekannten und hat hoffentlich eine gute Zeit. Dank des Events ist die Bar aber überfüllt und die Drinks vielleicht gar mässig. Man trifft viele, aber niemanden richtig, man sieht viel, aber wenig intensive. 20.000 Besucher ist eine echte Großveranstaltung - und viele von uns schätzen die ruhigen, kleinen Bars...
Wenn wir also in den nächsten Tagen in allen Ecken OUTSTANDING lesen, rechnen wir 30% runter, um der Realität nahe zu kommen. Und dank der ausgezeichneten Berichterstattung von den Tales, ist die Wahrscheinlichkeit, das man am heimischen RSS Feed mehr Wissen zugetragen bekommt, als direkt vor Ort, deutlich höher.
Wer die Zeit, Muße und das Geld für einem New Orleans Besuch hat, dem sei er mehr als gegönnt - dabei sein ist schließlich (fast) alles. Und wer zuhause geblieben ist, mixt sich einen Sazerac und hebt sein Glas richtig NOLA - mit dem Wissen: Ohne arbeitende Bartender gäbe es auch keine Geschichten, die man darüber erzählen könnte. Wer weiss, vielleicht passiert heute Nacht in Ihrer Bar das unglaubliche, von dem noch viele Barfreunde lange reden werden. Denn am Ende des Tages ist „Machen“ deutlich cooler als „drüber reden“ !
Nach diesem Motivations Schub für nichtreisende Bartender mit Hang zum Neid, noch eine TOTC Punkt, der mich seit einiger Zeit beschäftigt. Die TOTC Spirits Award Nominees. In diesem Jahre, 2009, wurden wir in zwei Kategorien nominiert:
Am kommenden Samstag findet im Rahmen eines Dinners nun die Verleihung dieser Awards statt und ich muss gestehen, ich tue mich etwas schwer damit.
Im vergangen Jahr, 2008, wurde LE LION zur ,Worlds Best New Cocktail Bar“ gewählt und das hat uns MÄCHTIG stolz gemacht. Besten Listen sind fragwürdig, und es gibt dutzender sehr guter Bar auf dieser Welt die Ihren Job großartig und sicherlich einige die Ihn noch besser als wir machen. Dennoch habe ich mich gefreut. Allerdings gab es auch schon 2008 einige organisatorische Schwierigkeiten die den Award ein wenig trübten. So wurde direkt nach den Awards eine Pressemitteilung mit falschen Gewinnern 2008 verschickt. Was dazu führte, das an einigen Stellen des Globus schon gefeiert wurde, als es einige Tage später dann „zurück“ hies und die richtige Liste veröffentlicht wurde. So großartig ich die TOTC finde, an dieser Stelle ein wenig Kritik. In diesem Jahr hat das Renomee der Spirit Awards international noch mehr an Wichtigkeit zugelegt, ein rauschen ging durch die Szene. Denn endlich, so scheint es, hat unsere Branche einen „internationalen“ Wettbewerb mit anerkannter Gültigkeit, so wie die Michelin Sterne der Restaurants.
Nun sind wir in diesem Jahr gleich zweimal nominiert und eigentlich, so sollte man meinen, sollten wir stolz darüber sein und uns nicht beschweren. Ich hege allerdings massive Zweifel an einer der beiden Nominierungen.
Die Nominierung zu „World‘s Best Cocktail Menu“ hat mich gewundert, aber gefreut. Wir haben ein sehr kleines Menu, nur eine Seite, knapp zwanzig Drinks. Wir verfolgen mit diesem Menu eine gewisse Philospohie und wenn die Jury uns dahin gehend gefolgt ist, freut es mich umso mehr. Wobei ich ehrlich sein will: Es gibt hunderte von Menues die in Ihrer Aufmachung interessanter sind als unseres. Unseres ist eine Seite, das war es. Aber wie gesagt, wenn die Jury damit dem „innovative“ Aspekt nachgeht, freue ich mich. Ich frage mich allerdings welches Menue sie bewertet haben. Es gibt nur eine Version Online, von der Eröffnung mit Datum 12/2007. Danach habe ich nie wieder eines verschickt, wenn ich mich nicht irre...
Die Zweite Nominierung :“World's Best Drinks Selection“ hingegen kann nicht richtig sein. Die Definitiion lautet „ A venue stocking an outstanding range of spirits and liqueurs. The judges will favor discernment as well as sheer numbers of bottles stocked.“
Und das kann relative einfach bewertet werden: Wir sind es nicht! Ich glaube jedes größere Hotel und jede zweite Bar allein in Hamburg hat mehr Flaschen als wir. Ich komme auf zwanzig Gin, einige Vodkas, ein paar US Whiskys, zwei bis drei dutzend Rum, eine Hand voll Tequila etc. Hinzu 20 Sorten Champagner und 90 Sorten Wein. das wars. Und ich garantiere: eigentlich keine, nicht EINE, super seltende Flasche dabei. Alles fast „normal“ (für Bartender) zu beschaffen. Torben Bornhöffs Kellerbar ist glaube ich dreimal so groß von der Anzahl der Flaschen im Le Lion. Und das wir allein nominiert sind ist ein offener Schlag ins Gesicht jeder Sammler Bar. Wer einmal Salvatore Fifties in London besucht hat (die haben den Preis letztes Jahr gewonnen), weiss wovon ich rede. Das ist eine Sammler Bar. Wahnsinn. Super beeindruckend. Solch eine Bar hat den Titel mehr als verdient (ich glaube man findet auch keine zweite mit dieser Auswahl). Bei meinem letzten Besuch hatte ich einen Genever von 1880 im Glas, der fast ein Jahrhundert am Meeresgrund in einem Schiffs Wrack lag und dadurch eine leichte Salz Note hatte... Noch Fragen?
Außerdem frage ich mich, wie da bewertet wurde. Nur eines (und zwar ein sehr geschätztes) Jurymitglied der diesjährigen Jury (in 2008 waren es deutlich mehr) war jemals im LE LION. Ich habe NIE eine Liste unserer Spirituosen verschickt und wüßte nicht, wer das sonst für uns getan haben könnte.
Die (kurze) Philosophie von LE LION lautet: wenig Spirituosen, diese dafür gut einzusetzen wissen und gelegentlich austauschen. Das ist unser Konzept. Ein Sammler Konzept wie das bei Fifties finde ich ebenfalls großartig. Mir gefallen viele Bar Konzepte - und am besten gefallen mir in der Regel Bars, die ein Konzept erkennen lassen und nicht versuchen der „Hans Dampf in allen Gassen“ zu sein.
Nur wenn einer Veranstaltung aus allen Teilen der Welt immer mehr Beachtung geschenkt wird, und die Spirit Awards langsam aber sicher auf dem Weg sind, die Michelin Sterne des Bar Business zu werden, dann wünsche ich mir etwas mehr Verantwortung. Dann kann es nicht sein, das eine Bar wie unsere, das LE LION, in solch einer Kategorie nominiert wird. Ich habe von der Nominierung knapp zwei Tage vor dem offiziellen Presseausand erfahren und habe die Verantwortlichen angerufen und Ihnen versucht zu erklären, warum ich es unglücklich finde, in dieser Kategorie nominiert zu sein. Ich habe keine Ahnung ob man das missverstanden oder falsch verstanden hat (wahrscheinlich) - jedenfalls blieb eine Reaktion aus.
Ich frag mich nur: Was soll ich machen? Sollten wir den Award gewinnen, möchte ich Ihn nicht annehmen - weil ich ganz sicher der Meinung bin, das LE LION Ihn nicht verdient hat - Nur bin ich nicht bei den Tales, um das im Vorfeld zu klären. „Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen“ ! Ich habe versucht das vorab telefonisch mit "Amerika" zu klären - wurde aber missverstanden. Wahrscheinlich werde ich Kritik ernten und man wird mir cleveres „Marketing“ a la Marcel Reich-Ranicki vorwerfen. Soll es aber nicht sein. Ich finde die Spirit Awards der Tales of the Cocktail sind der derzeit wichtigste internationale Event der Branche. Um dieses Status zu halten, bedarf es einer gewissen Ernsthaftigkeit. Die Michelin Sterne sind ein Millionenen Euro Geschäft. Die Spirit Awards sind auf dem Weg dahin, und ich wünsche mir, das Sie in Zukunft mit etwas mehr Sorgfalt zusammen gestellt werden.
So, nun möge der undankbare Meyer gesteinigt werden. Aber irgendwie ist es so doch nicht richtig, oder?
Doch der Reihe nach. 2003 startete Ann Tuennerman die Tales of the Cocktail und hat in nur sechs Jahren etwas unglaubliches auf die Beine gestellt. Von einer kleinen Ansammlung von Cocktailfreunden, die sich im Jahre 2003 in New Orleans trafen, um über Drinks und deren Geschichten zu reden, hat Sie in nur 6 Jahren einen unglaublich weiten Weg zurück gelegt, der höchste Anerkennung verdient hat.
Eine fast unüberschaubare Anzahl von Seminaren mit einer Vielzahl von „Top of the Tops“ Speakern, 5 Tage lang, mit erwarteten 20.000 interessierten Gästen. Wow.
Sie hat etwas geschafft, was einzigartig auf der Welt ist und wir alle sollten Ihr dankbar dafür sein. Sie hat das Trinken aus der Ecke geholt. Sie hat es geschaft, eine Mischung aus Bartendern, Cocktailgeeks und Genußmenschen mit den Medien zu vereinen. Frau Tuennerman hat etwas vollbracht, was hierzulande noch zu 99 % fehlt. Sie hat das genussvolle Trinken Gesellschaftsfähig gemacht! Viel wichtiger noch, und das macht Sie verdammt sympatisch: Sie hat schon vor Jahren erkannt: Wenn du in einer Nische groß werden willst, ist die Beste Möglichkeit die, Dich mit dem zielgerichtesten aller Medien zu vereinen: Bloggern.
Das war groß, weitsichtig und macht die Tales heute international zum wichtigsten Event der Bar Branche. So ziemlich alles, was in dieser „westlichen“ Spirituosen Welt über Alkohol und Cocktails online schreibt, ist heute auf dem Weg nach New Orleans und WEB 2.0 sei Dank, erzeugen diese Online Pioniere in „unserer“ kleinen Welt einen enormen Sog.
Und, obwohl es mittlerweile ein enorm Industrie/Sponsor lastiger Event geworden zu sein scheint, tut das dem Ganzen derzeit keinen Abbruch. Normalerweise haben Blogger ja in der Summe eine gewisse Abneigung gegen zu kommerzielles - in diesen Fall scheint die Mischung zu stimmen. Erneut, ein dünner Grad den Frau Tuennerman erfolgt zu meistern scheint: Respekt!
Interessanter Weise gibt es Tales erst seit gut einem Jahr in „unserer“ Zeitrechnung. Im vergangen Jahr hat eine kleine deutsche Entourage wie z.B. Helmut Adam oder Hauck & Berg vom Ort des Geschehens berichtet. Viel wichtiger aber ist denke ich der Einfluss ausländischer Blogger auf die „deutsche“ Szene. Denn dieses Jahr, so ist dem einem oder anderem zu entnehmen, zieht es Ihn auch aus unseren Landen nach New Orleans.
Nun wird Sie also über uns hereinbrechen, die TOTC Berichterstattung, auf sämtlichen Kanälen. Und bevor Sie nun depressive zum Strick greifen, hier einige Gedanken zu überleben der nächsten Woche.
Fakt: bei Tales of the Cocktail kommen ziemlich viele bekannte Menschen aus der Branche zusammen und treffen sich um gemeinsam die TOTC zu bestreiten. Sie werden eine fantastische Gelegenheit verpassen, um mit einigen dieser Menschen einen Drink zu genießen oder ein bisschen Small Talk zu halten. Es wird keine Facebook Fotos geben die Sie mit solchen „Größen der Branche“ zusammen zeigen und Ihren Ego schmeicheln oder besser noch, hoffentlich Ihre Kollegen vor Neid platzen lassen. Denn seien wir ehrlich, das gefällt uns doch...
Finden Sie sich damit ab. Point taken! Andererseits habe ich eine Überlebensstrategie entwickelt um bei großen Veranstaltungen, an denen ich nicht teilnehmen kann, nicht den ganzen Tag übellaunig voller Neid durch die Welt zu laufen. Frei nach der Devise: Gut ist es - wo ich bin. Es ist ganz einfach, ich betrachte das Verpasste realistisch.
Seien wir ehrlich. Wer schon einmal solchen internationalen Großveranstaltungen, sei es nun Barshow oder TOTC beigewohnt hat, kennt das Phänomen und es es so alt, wie die Menschheit selbst. Ich habe sogar eine Bar nach diesem Phänomen benannt: LE BON LION, the good lion, der gute Löwe.
Ernest Hemmingway hat diese fantastische Kurzgeschichte geschrieben und sie erzählt in aller Kürze die Geschichte eines aus sehr gutem Hause kommenden, jungen venizianischen Löwens, der in die weite Welt, vielmehr zu den echten Löwen nach Afrika fliegt und diese kennen lernen will. Er hat die besten Traditionen, trinkt Negronis und Martinis und kennt sich aus mit gutem Essen. Bei den Löwen hingegen scheitert er total - will kein Blut trinken und keine indischen Händler essen (Wir wollten darauf hin immer Sandwich „Indischer Händler“ im guten Löwen anbieten, schien uns aber in diesen verlogenen Zeiten als unangebracht...). Kurz gesagt. Der Löwe kam in Afrika nicht klar, scheiterte, die „echten“ Löwen wollen Ihn gar fressen. Also flog er zurück nach Venedig, in Harrys Bar, und trank Negronis und Martinis. An der Bar erzählte er selbstverständlich von seinen nicht ganz ungefährlichen Abenteuern in Afrika, die wenig mit der Realität zu tun hatten und erntete vollsten Respekt und Anerkennung von den Daheim gebliebenen. (und er bestellte bei Cipriani ein Sandwich Indischer Händler und dieser Weltklasse Bartender verneinte nicht gleich, sondern wollte schauen, wo er das besorgen kann).
Kurz: Wir neigen dazu, erlebtes in der Heimat ein wenig „schön“ zu reden... warum auch nicht - mach ich auch permanent.
Wer also nun schon einmal auf einem solchen Internationalen Event war, kennt das. Die Zeit FLIEGT an einem vorbei und man kommt nur sehr selten dazu, sich mit irgend jemanden richtig gut zu unterhalten. Es gibt „zweitausend“ Anlässe, die es zu besuchen gibt und am Ende des Tage bleibt man in irgend einer Bar sitzen und trinkt mit einem Teil all seiner Bekannten und hat hoffentlich eine gute Zeit. Dank des Events ist die Bar aber überfüllt und die Drinks vielleicht gar mässig. Man trifft viele, aber niemanden richtig, man sieht viel, aber wenig intensive. 20.000 Besucher ist eine echte Großveranstaltung - und viele von uns schätzen die ruhigen, kleinen Bars...
Wenn wir also in den nächsten Tagen in allen Ecken OUTSTANDING lesen, rechnen wir 30% runter, um der Realität nahe zu kommen. Und dank der ausgezeichneten Berichterstattung von den Tales, ist die Wahrscheinlichkeit, das man am heimischen RSS Feed mehr Wissen zugetragen bekommt, als direkt vor Ort, deutlich höher.
Wer die Zeit, Muße und das Geld für einem New Orleans Besuch hat, dem sei er mehr als gegönnt - dabei sein ist schließlich (fast) alles. Und wer zuhause geblieben ist, mixt sich einen Sazerac und hebt sein Glas richtig NOLA - mit dem Wissen: Ohne arbeitende Bartender gäbe es auch keine Geschichten, die man darüber erzählen könnte. Wer weiss, vielleicht passiert heute Nacht in Ihrer Bar das unglaubliche, von dem noch viele Barfreunde lange reden werden. Denn am Ende des Tages ist „Machen“ deutlich cooler als „drüber reden“ !
Nach diesem Motivations Schub für nichtreisende Bartender mit Hang zum Neid, noch eine TOTC Punkt, der mich seit einiger Zeit beschäftigt. Die TOTC Spirits Award Nominees. In diesem Jahre, 2009, wurden wir in zwei Kategorien nominiert:
World's Best Drinks Selection
Criteria: A venue stocking an outstanding range of spirits and liqueurs. The judges will favor discernment as well as sheer numbers of bottles stocked.
The Merchant Hotel, Belfast
Le Lion Bar de Paris, Hamburg
ZigZag Café, Seattle
Criteria: A venue stocking an outstanding range of spirits and liqueurs. The judges will favor discernment as well as sheer numbers of bottles stocked.
The Merchant Hotel, Belfast
Le Lion Bar de Paris, Hamburg
ZigZag Café, Seattle
und
World's Best Cocktail Menu
Criteria: The judges seek to reward innovative and thirst inducing cocktail menus. Both the design and content will be considered.
Hawksmoor, London
Le Lion Bar de Paris, Hamburg
Merchant Hotel, Belfast
World's Best Cocktail Menu
Criteria: The judges seek to reward innovative and thirst inducing cocktail menus. Both the design and content will be considered.
Hawksmoor, London
Le Lion Bar de Paris, Hamburg
Merchant Hotel, Belfast
Am kommenden Samstag findet im Rahmen eines Dinners nun die Verleihung dieser Awards statt und ich muss gestehen, ich tue mich etwas schwer damit.
Im vergangen Jahr, 2008, wurde LE LION zur ,Worlds Best New Cocktail Bar“ gewählt und das hat uns MÄCHTIG stolz gemacht. Besten Listen sind fragwürdig, und es gibt dutzender sehr guter Bar auf dieser Welt die Ihren Job großartig und sicherlich einige die Ihn noch besser als wir machen. Dennoch habe ich mich gefreut. Allerdings gab es auch schon 2008 einige organisatorische Schwierigkeiten die den Award ein wenig trübten. So wurde direkt nach den Awards eine Pressemitteilung mit falschen Gewinnern 2008 verschickt. Was dazu führte, das an einigen Stellen des Globus schon gefeiert wurde, als es einige Tage später dann „zurück“ hies und die richtige Liste veröffentlicht wurde. So großartig ich die TOTC finde, an dieser Stelle ein wenig Kritik. In diesem Jahr hat das Renomee der Spirit Awards international noch mehr an Wichtigkeit zugelegt, ein rauschen ging durch die Szene. Denn endlich, so scheint es, hat unsere Branche einen „internationalen“ Wettbewerb mit anerkannter Gültigkeit, so wie die Michelin Sterne der Restaurants.
Nun sind wir in diesem Jahr gleich zweimal nominiert und eigentlich, so sollte man meinen, sollten wir stolz darüber sein und uns nicht beschweren. Ich hege allerdings massive Zweifel an einer der beiden Nominierungen.
Die Nominierung zu „World‘s Best Cocktail Menu“ hat mich gewundert, aber gefreut. Wir haben ein sehr kleines Menu, nur eine Seite, knapp zwanzig Drinks. Wir verfolgen mit diesem Menu eine gewisse Philospohie und wenn die Jury uns dahin gehend gefolgt ist, freut es mich umso mehr. Wobei ich ehrlich sein will: Es gibt hunderte von Menues die in Ihrer Aufmachung interessanter sind als unseres. Unseres ist eine Seite, das war es. Aber wie gesagt, wenn die Jury damit dem „innovative“ Aspekt nachgeht, freue ich mich. Ich frage mich allerdings welches Menue sie bewertet haben. Es gibt nur eine Version Online, von der Eröffnung mit Datum 12/2007. Danach habe ich nie wieder eines verschickt, wenn ich mich nicht irre...
Die Zweite Nominierung :“World's Best Drinks Selection“ hingegen kann nicht richtig sein. Die Definitiion lautet „ A venue stocking an outstanding range of spirits and liqueurs. The judges will favor discernment as well as sheer numbers of bottles stocked.“
Und das kann relative einfach bewertet werden: Wir sind es nicht! Ich glaube jedes größere Hotel und jede zweite Bar allein in Hamburg hat mehr Flaschen als wir. Ich komme auf zwanzig Gin, einige Vodkas, ein paar US Whiskys, zwei bis drei dutzend Rum, eine Hand voll Tequila etc. Hinzu 20 Sorten Champagner und 90 Sorten Wein. das wars. Und ich garantiere: eigentlich keine, nicht EINE, super seltende Flasche dabei. Alles fast „normal“ (für Bartender) zu beschaffen. Torben Bornhöffs Kellerbar ist glaube ich dreimal so groß von der Anzahl der Flaschen im Le Lion. Und das wir allein nominiert sind ist ein offener Schlag ins Gesicht jeder Sammler Bar. Wer einmal Salvatore Fifties in London besucht hat (die haben den Preis letztes Jahr gewonnen), weiss wovon ich rede. Das ist eine Sammler Bar. Wahnsinn. Super beeindruckend. Solch eine Bar hat den Titel mehr als verdient (ich glaube man findet auch keine zweite mit dieser Auswahl). Bei meinem letzten Besuch hatte ich einen Genever von 1880 im Glas, der fast ein Jahrhundert am Meeresgrund in einem Schiffs Wrack lag und dadurch eine leichte Salz Note hatte... Noch Fragen?
Außerdem frage ich mich, wie da bewertet wurde. Nur eines (und zwar ein sehr geschätztes) Jurymitglied der diesjährigen Jury (in 2008 waren es deutlich mehr) war jemals im LE LION. Ich habe NIE eine Liste unserer Spirituosen verschickt und wüßte nicht, wer das sonst für uns getan haben könnte.
Die (kurze) Philosophie von LE LION lautet: wenig Spirituosen, diese dafür gut einzusetzen wissen und gelegentlich austauschen. Das ist unser Konzept. Ein Sammler Konzept wie das bei Fifties finde ich ebenfalls großartig. Mir gefallen viele Bar Konzepte - und am besten gefallen mir in der Regel Bars, die ein Konzept erkennen lassen und nicht versuchen der „Hans Dampf in allen Gassen“ zu sein.
Nur wenn einer Veranstaltung aus allen Teilen der Welt immer mehr Beachtung geschenkt wird, und die Spirit Awards langsam aber sicher auf dem Weg sind, die Michelin Sterne des Bar Business zu werden, dann wünsche ich mir etwas mehr Verantwortung. Dann kann es nicht sein, das eine Bar wie unsere, das LE LION, in solch einer Kategorie nominiert wird. Ich habe von der Nominierung knapp zwei Tage vor dem offiziellen Presseausand erfahren und habe die Verantwortlichen angerufen und Ihnen versucht zu erklären, warum ich es unglücklich finde, in dieser Kategorie nominiert zu sein. Ich habe keine Ahnung ob man das missverstanden oder falsch verstanden hat (wahrscheinlich) - jedenfalls blieb eine Reaktion aus.
Ich frag mich nur: Was soll ich machen? Sollten wir den Award gewinnen, möchte ich Ihn nicht annehmen - weil ich ganz sicher der Meinung bin, das LE LION Ihn nicht verdient hat - Nur bin ich nicht bei den Tales, um das im Vorfeld zu klären. „Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen“ ! Ich habe versucht das vorab telefonisch mit "Amerika" zu klären - wurde aber missverstanden. Wahrscheinlich werde ich Kritik ernten und man wird mir cleveres „Marketing“ a la Marcel Reich-Ranicki vorwerfen. Soll es aber nicht sein. Ich finde die Spirit Awards der Tales of the Cocktail sind der derzeit wichtigste internationale Event der Branche. Um dieses Status zu halten, bedarf es einer gewissen Ernsthaftigkeit. Die Michelin Sterne sind ein Millionenen Euro Geschäft. Die Spirit Awards sind auf dem Weg dahin, und ich wünsche mir, das Sie in Zukunft mit etwas mehr Sorgfalt zusammen gestellt werden.
So, nun möge der undankbare Meyer gesteinigt werden. Aber irgendwie ist es so doch nicht richtig, oder?
Tiefe Verbeugung Jörg! Der letzte Teil des obigen Beitrags über die in Deinen Augen unverdiente Nominierung verströmt aufs Angenehmste Reflektiertheit und Bescheidenheit - Tugenden, welche leider vielerorts (auch in Bardeutschland) bisweilen nicht mehr besonders en vogue zu sein scheinen. Chapeau!
AntwortenLöschenGabriel
Ich kann mich Gabriel nur anschliessen und ziehe ebenfalls meinen virtuellen Hut, Herr Meyer. Von Ihrer Einstellung könnten sich wahrlich einige Kollegen in unserer Branche eine dicke Scheibe abschneiden.
AntwortenLöschenMein neuer Lieblingssatz: "Machen ist deutlich cooler, als nur drüber reden" !
Grüsse aus Berlin
Freu mich auch schon auf heute Abend.
AntwortenLöschenDie politische Auseinandersetzung zwischen meinem Barlöffel, das ganze Eis und einigen Geistern dürfte anregend werden.
O U T S T A N D I N G !!!
AntwortenLöschenund bitte ziehen sie keine 30% davon ab, sondern setzten sie sie noch dazu! BITTE!
Sie und Ich duellieren uns ja zu zuweilen oefter, aber wissen Sie mein Respekt ist ihnen stets sicher, egal wie viele Meinungsverschiedenheiten uns aneinander geraten lassen.
Ihr Bezug auf eine eventuelle Fehlnominierung verdient eigentlich einen neuen Preis und diesen wuerde ich gern stiften:
Le Lion Award - bester ehrlicher & reflektierter Medienauftritt.
Den Artikel werde ich mir aufhaengen und zwar in meiner Bar. Vielen Dank dafuer! Vielleicht wird er ja mal bei einem Besuch signiert.
Mit respektvollen Gruessen gen Hamburg aus New Orleans
Michael Meinke
Ein schöner Text, Herr Meyer! Nur wenige wissen, dass man an so einem Werk durchaus Stunden sitzen kann.
AntwortenLöschenZu der Beurteilung der Spirits Awards:
Als letztjähriges Mitglied der Jury stehe ich dem Vergleich "Michelin" sehr kritisch gegenüber. Er trifft m.E. auch überhaupt nicht zu. Die Jury im letzten Jahr war einiges größer und umfasste auch viel mehr "Vielreisende" d.h. zum Beispiel internationale Markenbotschafter.
Am Ende des Tages war es von der Jury-Gewichtung her aber auch 2008 schon eine amerikanische Award-Veranstaltung mit amerikanischem Schwerpunkt. Europa östlich von Amsterdam und London hatte in der Jury kaum eine Lobby. Und so muss man Awards auch sehen. Es ist eine möglichst objektive Entscheidung einer Ansammlung von erfahrenen Individuen mit subjektiven Perspektiven. Diese Problematik hat jeder Award, jede Jury - auch wir mit den Mixology Bar Awards.
Die Jury dieses Jahres ist einiges kleiner, umfasst dafür fast ausschließlich "große Namen" (ich schließe mich von dieser Bezeichnung auch in Bezugnahme zu meine letztjährigen Tätigkeit auf jeden Fall aus) und ist - amerikanisch dominiert. Von diesen großen Namen kann ich mit Bestimmtheit sagen, dass die meisten von ihnen, Mr. Calabrese eingeschlossen, von Kontinentaleuropa kaum eine Anhnung haben. Asien ist ebenfalls völlig unterrepräsentiert.
Am Ende des Tages entscheidet, wie Du richtig schreibst, ob ein Jury-Mitglied ein Land und eine Stadt bereist hat und wieviele Artikel er in Fachmagazinen oder woanders über eine Bar gelesen hat.
Der internationale Aspekt der Spirits Awards bezieht sich fast ausschließlich auf die englischsprachige Hemisphäre. Die Awards gleichen darin vielmehr den Oscars. Bei den Oscars geht auch der Löwenanteil der Awards an amerikanische Produktionen, ein paar bleiben in England hängen und andere Länder gewinnen ab und an einen Spezialpreis. Entsprechend entspannt muss man das Ganze auch sehen.
Was die Kategorien anbetrifft: letztes Jahr gelangte durch eine Nominierung von mir die Widder Bar in das Line-Up. Diese Bar existiert länger als das Fifties und muss einen Vergleich nicht scheuen von ihrer Auswahl her. Nur ist es keine Bar, die viel PR in die englischsprachige Hemisphäre hinein betreibt. Entsprechend war auch kaum jemand dort bisher. Ich glaube Angus Winchester war der erste, der kürzlich dort vorbeigeschaut hat von allen internationalen Markenbotschaftern und Multiplikatoren. Und GSA-Land ist jetzt doch schon ein paar Jahre auf der Barlandkarte zu finden.
Die Spirits Awards sind nicht der Michelin für die Welt, sie sind es allenfalls für die USA.
Feine "Feder" der Herren Meyer und Adam!
AntwortenLöschenSehe "Award-Geschichten" ähnlich und auch Textteil 1 von Herrn Meyer... excellent.
ad Awards: Bin zwar selber nicht abgeneigt für PR-Zwecke irgendwo, irgendwie VERDIENT einen ANGESEHENEN bzw. GLAUBWÜRDIGEN Award zu erhalten oder Sieg einzustreifen, halte mir aber stets eine Aussage von Franz Robert Steinmayr (ehemaliger, leider schon verstorbener Inhaber der Diana Bar in Tirol, Award-Winner by Mixologie für sein Lebenswerk) vor Augen:"Den Erfolg einer Bar macht der Gast und die Zeit, und nicht der Schnickschnack an Auszeichnungen und die Anzahl der in die Luft geworfenen Flaschen".
Ich hoffe dass die Spirits Awards nicht nur annähernd die Gewichtung und die daraus teils erschütternden Auswirkungen bekommen. Szenario: Michelin-Stern erhalten (oder einen dazu) - grosse Investitionen (=Schulden) - Jahr darauf - Stern weg - Gäste bleiben aus - Finanzproblem (bis zum Suizid - kein Scherz!)
Schon klar dass dies ein worst-case-Szenario darstellt, aber es genügt ja schon wenn man durch "das nicht mehr so wichtig/gut sein" finanziell ins Schleudern kommt....mit all seinen Folgen (Probleme im Privat-Familienbereich etc.). Dies wird aber bei den Spirits-Award denke ich sowieso nie der Fall sein aber der Gast und diverse Medien sind (grundsätzlich) H...n, und bewerten nicht wie Experten.
Abschliessend noch ein Wort an den "Löwen". Einfach weiterhin stolz sein auf den Award vom Vorjahr - denn der ist sicher zurecht verliehen worden!